Mediation als Baustein unternehmerischer Verantwortung (CSR)

– Oder „bei uns gibt es keine Konflikte”? –

 

Ein Beitrag von:
Dr. Ursula Grooterhorst, Rechtsanwältin und Mediatorin,
Eversheds Sutherland (Germany) LLP externer link zu eversheds sutherland , Düsseldorf
Mandantenbrief 03/2014, Seite 17-19

Mediation als Mittel zur Mitarbeiterführung
Die Aufgabe, Konflikte einzudämmen stellt sich nicht länger als Soft Skill von Führungskräften dar, sondern als hartes Führungsthema. Im Zuge der Globalisierung steigen Konflikte exponentiell an und stellen somit ein enormes Risiko dar, das den Erfolg einer Organisation (z. B. Unternehmen/Behörden) signifikant beeinflusst. Eine Untersuchung der österreichischen Wirtschaftskammer (2006) stellt fest, dass der Konfliktkostenanteil innerhalb von kleinen und mittelgroßen Unternehmen 19 % der Gesamtkosten ausmacht. Nach einer Konfliktkostenstudie können jährlich mindestens 25 % der Konfliktkosten reduziert werden, die u. a. auf Mitarbeiterfluktuation, Krankheit der Mitarbeiter, kontraproduktivem Verhalten, Kundenfluktuation oder arbeitsrechtlichen Sanktionen beruhen. Nur die intensive Betrachtung von Konflikten kann eine Prozess- und Kostenoptimierung in Unternehmen einleiten.

Durch eine Mediation können Konflikte beseitigt oder künftige Konflikte vermieden werden. Wenn dieses Instrument in einem Unternehmen regelmäßig eingesetzt wird, führt das nicht nur zu einer Reduktion der Konfliktkosten, sondern auch zur Erhöhung des Kommunikationsstandards innerhalb eines Unternehmens. Das Image des Unternehmens nach außen steigt.

Zwischenmenschliche Aspekte der Mediation
Die Mediation berücksichtigt menschliche und zwischenmenschliche Aspekte des Arbeitslebens. Mitarbeiter werden nicht länger als Mittel zur Gewinnerzielung angesehen (shareholder value), sondern sie werden als Menschen mit individuellen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Nöten in den Mittelpunkt gestellt (stakeholder value). Daraus resultierende Arbeitszufriedenheit wirkt sich positiv auf das Unternehmen und seinen Erfolg aus.

So viele Mitarbeiter im Unternehmen – so viele Eigenwelten im Unternehmen
In einem Unternehmen mit vielen Mitarbeitern begegnen sich ebenso viele Eigenwelten von Menschen, die durch unterschiedliche Erfahrung als auch durch verschiedene Herkunft, Tradition, unterschiedliche soziale Stellung und Wissen entstanden sind. Jeder Mensch bestimmt durch die ihm eigene Welt die Schlussfolgerungen, die er an das, was er wahrnimmt, anknüpft. Sie ergeben sich aus der Bedeutungszuschreibung seiner Wahrnehmung. Jeder Mensch konstruiert somit in seinem Kopf seine eigene Wirklichkeit. Wenn zwei Personen dasselbe beobachten, entstehen in ihren Köpfen unterschiedliche Bilder, je nachdem welche Erfahrungen sie gemacht haben. Das heißt, dass ein „Verstehen“ nicht ohne weiteres, d. h. ohne Erklärung durch den anderen, möglich ist. Viele Mitarbeiter unterliegen ständig hohen Herausforderungen, wodurch die Stressbedingungen ansteigen. In diesen Fällen bleibt in der Regel keine Zeit, dass sie ihr Handeln erklären, was wiederum für ein gegenseitiges Verstehen notwendig ist. Reibungen sind die unweigerliche Folge, Konflikte entstehen. Eine „realistische“ Weltsicht kann Konflikte dort, wo Menschen zusammenleben und arbeiten, somit nicht leugnen.

Identifizierung von Konflikten
Gelegentlich fällt es Führungskräften schwer, Konflikte überhaupt als solche zu identifizieren. Dieser Umstand mündet oft in der Behauptung „bei uns gibt es keine Konflikte“. Diese subjektive Wahrnehmung von Führungskräften beruht in diesen Fällen möglicherweise darauf, dass sie sich selbst zur Zeit in einem konfliktfreien Zustand befinden oder dass in ihrem näheren Arbeitsumfeld tatsächlich zur Zeit keine Konflikte ausgetragen werden. Häufiger geschieht es jedoch – jedenfalls ab einer gewissen Anzahl von Mitarbeitern -, dass Führungspersonen um sich herum bestehende Konflikte nicht bemerken. Das kann verschiedene Ursachen haben:

Heißer Konflikt
Die Führungskraft kann einen Konflikt nicht erkennen, weil in ihrem Arbeitsumfeld kein „heißer“ Konflikt vorliegt. Ein „heißer“ Konflikt wird von heftigen Emotionen begleitet. „Die Streitparteien bekennen sich zu ihrer persönlichen Gewaltanwendung (verbal oder physisch) und leugnen ihre Täterschaft nicht, auch wenn sie merken, dass sie Schaden angerichtet haben. Die Energie der Konfliktparteien ist auf das Durchsetzen eigener Ziele gerichtet“ (Glasl, F., Der heimliche Krieg, in: Konfliktdynamik 2014, S. 101 f.). Wenn aber destruktive Energien nicht freigesetzt werden und emotionale Entladungen nicht erkennbar sind, lässt diese Tatsache noch nicht den Schluss zu, dass in einem Unternehmen keine Konflikte bestehen.

Fernhalten von Konflikten
Es kann sein, dass Konflikte an eine Führungsperson nicht herangetragen werden, da sie im Hinblick auf ihre hierarchische Stellung nichts von dem Konflikt erfahren soll. Der Streit wird auf unterer Ebene ausgetragen; die Führungskraft soll außen vor bleiben. Auf Dauer nehmen die Zusammenarbeit und das Arbeitsergebnis in ihrer Abteilung gleichwohl Schaden.

Kalter Konflikt
Die hierarchische Stellung einer Führungsperson schützt diese nicht davor, in einen Konflikt zu geraten. Wenn die andere Konfliktpartei es sich aufgrund ihrer „untergebenen“ Stellung nicht leisten kann, den Konflikt zu zeigen, wird sie ihn unterschwellig austragen. Es handelt sich dann um einen „kalten“ Konflikt, wenn die Streitenden sich nicht offen auseinandersetzen, sondern wenn es darum geht, den Gegner bestmöglich zu behindern (Glasl, F., ebd., S. 102). Für kalte Konflikte ist es bezeichnend, dass die unterdrückten unangenehmen Gefühle mit der Zeit häufig summiert werden zu körperlichen Beschwerden beim Stoffwechsel, zu Herz- und Kreislauferkrankungen, Bandscheibenvorfall, Menstruationsbeschwerden, Asthma, Migräne usw.. Statistiken von auffälligen Personalfluktuationen und Erkrankungen in einer Organisation, vor allem von Burn-out, sind Hinweise auf mögliche versteckte kalte Konflikte (Bauer, J., Schmerzgrenze, 2008, S. 199 ff.).

Umgang mit eigenen Fehlern
Die Wahrnehmung von Konflikten hängt ebenfalls mit der Fähigkeit einer Führungsperson zusammen, wie sie mit ihren eigenen Fehlern umgeht. Wenn sie aufgrund ihrer Persönlichkeit die eigenen Fehler nicht annimmt, weil sie sich dadurch mit einem Makel behaftet sieht und somit die Realität ausblendet, wird sie Konflikte in ihrem Arbeitsumfeld immer erst mit einer gewissen Zeitverzögerung erkennen. Konflikte lösen sich in der Regel nicht von allein, sondern sie potenzieren sich durch Zeitablauf. Eine positive Einstellung dahingehend, dass die eigene Fehlerhaftigkeit und diejenige anderer Menschen zum Leben dazugehören, führt dazu, dass Konflikte rechtzeitig behoben werden können. Krankheit und Kündigung von Mitarbeitern müssen nicht die zwangsläufige Folge von Konflikten sein.

Offener Umgang mit Konflikten aus unternehmerischer Verantwortung
Fazit: Eine systemisch-konstruktivistische Grundhaltung kann Konflikte nicht leugnen. Auch wenn solche aus unterschiedlichen Gründen nicht wahrgenommen werden, muss eine realistische Weltsicht davon ausgehen, dass Konflikte überall dort entstehen, wo Menschen zusammenarbeiten. Aufgrund der Arbeitsbedingungen ist es oft gar nicht möglich, sich gegenseitig ständig sein Handeln zu erklären, so dass Missverständnisse vorprogrammiert sind. Wer als Unternehmer offen mit seiner eigenen Fehlerhaftigkeit umgeht und auch offen gegenüber den Fehlern anderer ist, kann die negativen Konsequenzen von Fehlern frühzeitig in Grenzen halten, indem er die Mediation als ein Instrument der Unternehmensführung nutzt. Dazu braucht es eine Anlaufstelle für aufkeimende Konflikte sowie das Angebot des Unternehmens an die Mitarbeiter, Konflikte, die zwischen Personen entstehen, im Wege der Mediation zu beseitigen oder wenigstens abzumildern. Eine solche Strategie ergibt sich aus der unternehmerischen sozialen Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern sowie aus dem Ziel, den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu steigern. Dieser geht damit einher, dass Mitarbeiter von der Attraktivität eines Unternehmens überzeugt sind, das sich auch um die menschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz kümmert. Ein sinkender Krankenstand und eine sinkende Fluktuation der Mitarbeiter senken im Unternehmen zunächst einmal die Kosten. Schlussendlich aber steigern motivierte Mitarbeiter den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

Düsseldorf, den 14.07.2014

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